Vor dem Saisonstart: Interview mit Thomas Wirsing

Foto Thomas Wirsing

Wenige Tage vor Saisonstart haben wir mit dem Trainer der 2.Mannschaft Thomas Wirsing gesprochen. Dabei wollen wir Euch den neuen Coach etwas näher bringen und natürlich einen Blick auf die Vorbereitung zurück bzw. auf die kommende Saison voraus werfen. Zudem erzählt er was er am VfB schätzt und zeichnet ein klares Bild von seinem „fußballerischen Ziehvater“ Reinhold Jessl. Und wir erfahren viel über neue Spieler, Hierachien im Team und einen Kicker aus seinen Reihen, den er beim letzten Testspiel fast hätte transferien müssen. 

 

"Ich weiß wie ich mit dem Reinhold arbeiten kann"

 

Als Thomas Korn mitteile, dass er nicht mehr als Trainer der 2.Mannschaft in die Saison 2017/18 gehen wird, war beim VfB schnell die Idee geboren, den erst im Winter 2016/17 nach Oberndorf gewechselten Thomas Wirsing als Nachfolger zu installieren. Zunächst winkte der 37jährige ab. Zwar war er noch wenige Monate zuvor erfolgreich bei Phönix Düdelsheim im Fußballkreis Büdingen als Trainer tätig, doch die eine Stunde Fahrtzeit und der Blick auf Zeit mit Frau und Kinder war ausschlaggebend abzusagen. „Ich würde auch nie Trainer einer 2.Mannschaft machen, wenn nicht der Reinhold Trainer der 1.Mannschaft ist“, lässt er erahnen wie es dann doch zum Meinungsumschwung kam. Nach einem weiteren Gespräch mit Paul Sachs und seiner Frau (wohl auch genau so in der Reihenfolge) nahm er das Amt an. Ganz sicher haben ihn aber auch die Voraussetzungen beim VfB begeistert: „Ich habe allein bei der 2.Mannschaften fünf Betreuer vom Spielausschuss, zwei super Plätze und es ist wirklich so, dass mir hier noch keiner begegnet ist, mit dem ich nicht sprechen konnte. Alle sehr sympathisch. Aber der Reinhold hat sicherlich einen ganz großen Anteil daran! Weil ich weiß wie ich mit ihm arbeiten kann. Er lässt mich auch machen, bezieht mich bei der Ersten mit ein und ich kann nach wie vor eine Menge von ihm lernen!“

 

Ein Tor gegen Borussia Dortmund und ein Trikot vom neuen Bayern-Boss

 

Ohnehin ist das Verhältnis des gebürtigen Stadeners zu Reinhold Jessl extrem eng. Als Jessl damals den 20jährigen Wirsing bei einem Hallenspiel sah, lud er ihn zum Probetraining ein. Thomas Wirsing sagt rückblickend: „ich habe eine unglaublich schlechte Trainingseinheit abgelegt, aber der Reinhold hat gesagt ich solle noch mal kommen!“ Letztendlich entstand eine über Jahre feste Verbindung zueinander. Egal ob in Bernbach, Höchst, bei Wirsings Heimatverein Teutonia Staden oder nun beim VfB Oberndorf. Wo Reinhold Jessl trainierte, war Thomas Wirsing oft nicht weit. Und da war es auch egal auf welcher Position der ehemalige Jugend-Landesligaspieler von Bad Nauheim eingesetzt wurde: „eigentlich bin ich ein Offensiver, aber ich habe alles gespielt. Sogar im Tor!“ 133 Spiele hat er alleine in der Oberliga Hessen absolviert und lt. Transfermarkt.de nur drei Gelbe Karte kassiert. So ist auch im Umfeld des VfB beim Namen Thomas Wirsing genau diese Einstellung immer wieder positiv durchgedrungen. Er ist mannschaftsdienlich, bringt sich voll ein wo er gebraucht wird und ist super umgänglich. Das sieht man auch an seinem Spielstil. Vielleicht ist sein Sternzeichen Löwe da ein guter Vergleich. Denn wenn es darauf ankommt, kann seine eigentliche Ruhe trügerisch sein. Dann wenn es gilt ist er zur Stelle. Diese Erfahrung musste auch einst Christopher Metzelder und Jürgen Kohler in einem Testspiel gegen Borussia Dortmund machen. Als der damals topfitte Stürmer im November 2001 den Bundesliga-Verteidigern entwischte und vor 5.000 Zuschauern einnetze. Oft sorgte Wirsing für Tore, wenn es besonders wichtig war oder ein Spiel auf der Kippe stand. „Nie aufgeben“, könnte man so sein Credo zusammenfassen. Dies bekommt besonders Nachhaltigkeit wenn man bedenkt, dass er als recht junger Spieler Borreliose und Pfeiffersches Drüsenfieber über sich ergehen lassen musste. Zudem eine ganz üble Verletzung mit mehreren Knochenbrüchen und Kreuzbandriß. Im Rückblick schaut er auf unzählige Highlights zurück. Viele Zeitungsberichte schlummern zu Hause in seinem Schrank neben dem Trikot vom neuen Sportdirekt des FC Bayern München Hasan Salihamidžić. Dieses Leibchen schenkte der Profi ihm nach einem Testspiel gegen den deutschen Rekordmeister. Sein wahrscheinlich bedeutendste Spiel war das Hessenpokalfinale 2004 mit dem SV Bernbach bei Kickers Offenbach auf dem Bieberer Berg. Nun geht er beim VfB Oberndorf II seine zweite Trainerstation an.

 

Das Interview vom 01.August 2017

 

VfB-Oberndorf.de: Die ersten Wochen als Trainer beim VfB sind rum, wie zeigt sich das B-Team?

Thomas Wirsing: Es ist noch schwer zu sagen wo wir stehen. Unsere körperliche Verfassung ist für eine 2.Mannschaft aufgrund der recht ordentlichen Trainingsbeteilung sicherlich ganz gut. Allerdings fehlen auf dem Training oft Spieler die sehr wichtig sind. Zum Beispiel macht der Thomas Röder gerade wieder Schule. Folglich ist er wenig da. Aber er ist halt ein überragender Kicker. Die beiden Testspiele will ich beide nicht überbewerten. Gegen Altengronau/Jossa II hätten wir noch mehr als die 13 Tore machen können. Und in Wiesen waren wir keine 8 Tore schlechter. Da waren wir müde und der Gegner ist gerannt wie die sprichwörtlichen Hasen. Dann kamen unsere Konzentrationsfehler dazu. Wenn das Spiel 8:6 ausgeht kann sich auch keiner beschweren. Wir haben gegen eine Top-Kreisoberliga-Mannschaft ganz gut mitgehalten. Ich gehe davon aus, dass wir vor allem moralisch in einer Top-Verfassung sind. Jeder weiß bei mir, dass er trotz Fehler den Kopf oben behalten muss. Und außerdem profitieren wir natürlich von den Spielern, die bei der 1.Mannschaft mittrainieren und ein anderes Tempo gewohnt sind.

 

VfB-Oberndorf.de: Ein Blick auf die Kaderliste des B-Teams weißt nur 12 Feldspieler aus. Ist das nicht zu wenig?

Thomas Wirsing: Es gibt ja Spieler die bei beiden Mannschaften mitgezählt werden müssen. Ich zähle einen 16ner Kader. Das ist eigentlich nicht zu klein. Das Problem ist, dass die 1.Mannschaft nur einen 15ner Kader hat und wir bei Verletzungen nach oben abstellen müssen. Und dann wird es logischerweise eng. Aber es geht in erster Linie um den Klassenerhalt der 1.Mannschaft. Deshalb ist es gut, dass wir so Spieler haben wir den Jannik Schreiber, Jonas Röder oder Björn Abersfelder die oben aushelfen können.

 

VfB-Oberndorf.de: Apropos junge Spieler. Wie sind Deine ersten Eindrück von den Neuen?

Thomas Wirsing: Der Til Beckmann ist ein Innenverteidiger, der super angefangen hat und nun ein bisschen in einem Loch steckt mit vielen Abspielfehlern. Er hat natürlich mit Artis Hull, Michael Niestrzebski und Max Röder sehr starke Konkurrenz auf der Position. Er muss den Kopf oben behalten und sich durchbeißen. Den Thomas Grob kann ich noch nicht bewerten, da ich ihn bislang kaum zu Gesicht bekommen habe. Er ist auch aktuell im Urlaub. Der Björn Abersfelder gefällt mir richtig gut. Er hat ja auch schon bei der 1.Mannschaft ein paar Minuten bekommen. Klar muss er noch zulegen. Aber er ist energisch, ballsicher und deshalb schon recht weit. Jedoch kommt er zu wenig ins Training. Das ist auch das Problem beim Nico Glassen. Wobei beim Nico dazukommt, dass er sich im Gegensatz zum Björn nicht abmeldet. Der Nico ist recht schnell. Ich habe ihn auf der Sechs und als Außenstürmer ausprobiert. Ich fand er hat sich außen besser durchgesetzt, er sieht sich aber aufgrund seiner Jugendausbildung eher zentral. Da macht er mir aktuell noch hier und da zu viele Abspielfehler und dann geht bei ihm zu schnell der Kopf nach unten. Die Körpersprache wenn etwas nicht funktioniert ist bei ihm zu extrem. Und der Luca Korn ist noch nicht spielberechtigt. Er ist ein Rechtsverteidiger den auch der Reinhold mal mitgenommen hätte, wenn er spielberechtigt gewesen wäre. Er macht einen guten Eindruck, aber ich habe ihn erst in zwei Einheiten gesehen. Sehr energisch und groß.

 

VfB-Oberndorf.de: Bildet sich auch schon eine klare Hierarchie bei den erfahrenen Spieler?

Thomas Wirsing: Sicherlich sind der Christoph Harnischfeger, Max Röder, Artis Hull, Manuel Sachs, Florian Köhne, Michael Niestrzebski und der Thomas Röder die Spieler von denen ich erwarte, dass sie vorneweggehen und in schwierigen Situationen den jungen Spieler zeigen wie man den Kopf oben behält. So habe ich es auch mit ihnen besprochen. Der Max hat zwar immer wieder mit seinem Knie Probleme, aber er ist wie er sich auch außerhalb des Spielfeldes einbringt enorm wichtig. Deshalb bleibt er auch Kapitän. Ich hatte das Team gefragt ob sie wählen wollen, aber das wollten sie nicht weil jeder weiß was wir an ihm haben. Dann habe ich mit dem Christoph, dem Thomas Röder und dem Michael gesprochen. Die sollen mein Gerüst bilden. Da zähle ich auch den Florian Köhne dazu und natürlich den Artis. Der ist einfach nur überragend. Der kommt aus dem Urlaub zurück, spielt gleich und macht in Wiesen in der 85.Minute noch einen Sprint über das ganze Feld. Er geht richtig voran und der gegnerische Trainer wollte ihn am liebsten verpflichtet, bis ich ihm gesagt habe, dass er schon Vierzig ist. Und da will ich auch noch den Shorty nennen. Der ist zwar nicht der Erfahrenste, aber der haut sich in jedem Training rein. Er kommt auch zu mir und macht mir Vorschläge die mir neue Perspektive bringen.

 

VfB-Oberndorf.de: Ist es für Dich ein Problem oder eine undankbare Aufgabe, dass man trotz Deines riesigen Aufwandes oft nur Unterbau für die 1.Mannschaft ist? Insbesondere wenn man kurzfristig Spieler nach oben abgeben muss?

Thomas Wirsing: Überhaupt nicht! Ich bin einfach nur froh, dass ich vom Reinhold lernen kann. Das ist mit dem Unterbau ja überall so und ich wusste ja auf was ich mich da einlasse.

 

VfB-Oberndorf.de: Nun geht es endlich los. Mit Neuenhaßlau und Mernes kommen gleich in den ersten 4 Tagen erwartungsgemäß Gegner, die ähnliche Saisonziele haben wie Dein Team. Wissen wir bereits zur Kier schon wohin die Reise geht? Wäre Dir ein anderer Gegner zum Start lieber gewesen?

Thomas Wirsing: Mir ist es völlig egal gegen wen wir spielen und so gut kenne ich diese Liga auch noch nicht. Wir können gegen jede Mannschaft gewinnen, weil wir eine gute Truppe haben. Neuenhaßlau hat letztes Jahr unten mitgespielt. Wir haben dort verloren und zu Hause Unentschieden gespielt. Mernes kam über die Relegation hoch und hat in den beiden Spielen es auch nicht leicht gehabt.

 

VfB-Oberndorf.de: Wie wirst Du selber agieren? Nur an der Linie, auf dem Platz und der Reinhold nimmt Dich ja auch gerne dazu?

Thomas Wirsing: Wenn alles normal läuft spiele ich bei der Zweiten. Wenn der Reinold mich braucht spiele ich auch in der 1.Mannschaft.

 

VfB-Oberndorf.de: Blicken wir zum Abschluss mal noch weiter voraus. Du warst bei vielen höherklassiken Vereinen. Wie stellt sich der VfB für Dich da und was könnte sich noch verbessern?

Thomas Wirsing: Was ich in dem halben Jahr bislang gesehen habe ist überwiegend positiv. Die Grundstruktur ist gut aufgebaut. Man hat so viele Leute die etwas tun wollen, die sich organisieren und gegenseitig unterstützen. Das ist ja entscheiden, dass man sich gegenseitig hilft und so kommt der Verein voran. Da kommt dazu, dass es auch Leute gibt die sich um Sponsoren bemühen. Denn bei vielen Vereinen scheitert es am Geld. Wenn etwas fehlt wird hier sofort geschaut wie man es organisieren kann und es wird sich gekümmert. Und dafür sind dann auch finanzielle Mittel da. Und natürlich die Arbeitskraft die hier eingebracht wird. Natürlich gibt es Vereine die haben einen großen Sponsor und der sagt ‚mach ich‘, aber die Arbeit kann er nicht alleine machen. In Oberndorf ist die Arbeit auf vielen Schultern verteilt und das ist überragend. Und dies in so einem kleinen Ort. Sportlich müssen wir hoffen, dass sich keiner groß verletzt. Der Kader ist groß genug, aber auch nicht riesig. Das ist ja immer ein schmaler Grad. Ist er zu groß sind einige Spieler unzufrieden weil sie nicht spielen, ist er zu klein darf sich keiner verletzten.

 

Wir bedanken uns bei Thomas Wirsing für die ausführlichen Einsichten und wünschen ihm und seinem Team einen guten Start in die neue Saison. Diese Woche erscheint dann noch das Interview mit Reinhold Jessl.

 



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